Diversität und niederländische Sprachbarrieren in Suriname

Unsere restlichen Tage in Guyana

Die Vögel können noch nicht fliegen und müssen laufen und schwimmen

Nach unseren Rupununi-Savannen-Abenteuer in Guyana fahren wir weiter von der Grenzstadt Lethem in Richtung Hauptstadt Georgetown an der Küste. Die 800 KM lange Hauptverkehrsader des Landes ist tatsächlich unbefestigt, hauptsächlich einspurig und bietet somit wahre Abenteuer mit Schlammlöchern, wackligen Holzbrücken und Fähren. Grösstenteils führt sie durch den sehr dichten Dschungel. Im südlichen Abschnitt gibt es ein paar Lodges und Naturreservate, von welchen aus der Regenwald erkundet werden kann. Auf eigene Faust ist dies nicht möglich /erlaubt. Wege gibt es nur bei den Lodges / Reservaten, in welchen ein Führer Pflicht ist. Ansonsten gibt es keine Wege, d.h. man müsste seinen eigenen Weg durch den dichten Dschungel schlagen. Ansonsten gibt es nur die Option von Georgetown aus einen Flug in den Dschungel zu organisieren z.B. zu einem der grössten Wasserfälle weltweit, was budgetmässig nicht drinnen liegt. Wir überlegen uns ein/zwei Dschungelaktivitäten bei einer Lodge zu machen. Die Lodges kosten aber alle mehrere Hundert Dollar pro Nacht. Eine bietet uns an auf einem Feld ohne jegliche Einrichtungen für 50 US-Dollar die Nacht zu campen. Wir finden diese Preise ehrlich gesagt schon fast eine Frechheit (Durchschnittslohn in Guyana ist 500 US-Dollar im Monat). Hier ist man eindeutig nur auf ultrareiche Touristen und ganz bestimmt keine Individualtouristen ausgelegt.
Wir finden eine bisschen nachsichtigere Lodge. Hier können wir für weniger Geld eine Nacht übernachten, nehmen dafür aber auch das Essen dort zu einem deftigen Preis (Abendessen 25 Dollar pro Person) für mittelmässige Qualität und Service zu uns. Dafür treffen wir dort auf eine sehr sympathische Motorradreisegruppe aus grösstenteils den USA und geniessen wieder mal Gesellschaft und Austausch. Wir leisten uns für 150 Dollar eine Halbtagesbootstour. Wir möchten zu den im ganzen Amazonasgebiet heimischen Wasserlilien Victoria Amazonica, die Nationalpflanzen Guyanas. Es sind die grössten Wasserlilien der Welt – ihr Blatt hat einen Durchmesser von bis zu 3 Metern während der Stamm bis zu 8 Metern lang wird. Diejenigen, welche wir sehen sind leider noch nicht so gross und blühen momentan auch nicht. Trotzdem sind sie eindrücklich mit einer Grösse von einem kleinen Tisch und werden von kleinen Vögeln, die noch nicht fliegen können, als Weg übers Wasser genutzt. Ansonsten sind wir von der Tour sehr enttäuscht insbesondere da ein halber Tag mit viel Tier- und Pflanzenwelt und eventuell noch Fischen versprochen wurde, die Tour aber bereits nach 2 Stunden endete. So fühlten wir uns einmal mehr über den Tisch gezogen. Aufgrund dessen entschliessen wir uns auf jegliche weitere Touristenaktivitäten zu verzichten und nach Suriname durchzufahren. Unterwegs übernachten wir auf einer Dschungellichtung und erledigen in der Hauptstadt Georgetown die Grenzformalitäten für Suriname. Ja, es ist alles ein wenig komplizierter. Wir müssen online im Voraus eine Touristenkarte kaufen, die wir danach extra ausdrucken müssen. Später lernen wir, dass man das doch auch an der Grenze hätte machen können und das erst noch weniger gekostet hätte. Dann müssen wir zu unsrer Autoversicherung für Guyana gehen und sie überreden, dass sie Suriname in die Abdeckung hinzunehmen. Dies war leider bei Versicherungsabschluss an der Grenze nicht möglich, sondern nur in der Hauptstadt. Während unseren Besorgungen sehen wir auch Guyana’s wohl eindrücklichstes Gebäude – die hölzerne St. George’s Cathedral, eine der höchsten Holzgebäude der Welt. Dann fahren wir weiter zur Grenze ins ehemalig Niederländisch-Guyana genannte Suriname.
Ja, Guyana haben wir im Süden sehr genossen. Es war schön auf dem Heritage Festival Locals anzutreffen und viel über die amerindianische Kultur zu lernen. Das Erkunden der Rupununi Savannah war traumhaft. Die Diversität der Leute und des Essens ist ebenfalls spannend. Der Rest von Guyana konnte uns hingegen nicht überzeugen. Es ist zu teuer, es gibt zu wenig zu entdecken und das Preis-Leistungsverhältnis stimmt nicht. In Zentralamerika konnten wir wild am Strand campen und hatten in den Bäumen daneben Gesellschaft von wildlebenden Äffchen, Aras und Faultieren. Hier muss man ein paar Hundert Dollar für eine Übernachtung in einer mittelmässigen Lodge zahlen und das grösste Highlight bezüglich Tierwelt ist ein fettes Äffchen, das von Lodgeangestellten gefüttert wird, damit es nicht abhaut. Eine holländische Tourgruppe, die wir an der Grenze antreffen war bezüglich Flora und Fauna ähnlich enttäuscht.

St. Peter und Paul Kathedrale

Ankunft in Suriname und Paramaribo

Nach Suriname müssen wir die Fähre nehmen. Die Fähre fahrt nur einmal am Tag und hat nur Platz für eine Handvoll Autos. So hatten wir Glück, dass wir vor der Fähre übernachtet haben und somit einen Platz auf der Fähre ergattern konnten. Der Prozess mit Grenzformalitäten und Fährübersetzung ist unglaublich kompliziert und dauert mehrere Stunden. Wir möchten uns aber nicht beklagen: Die Motorradgruppe sass mehre Tage fest, da die Fähre kaputt war und die Grenzüberquerung damit unmöglich wurde (Alternativen gibt es keine).
Suriname ist ein lustiges kleines Land – das kleinste in Südamerika. Es herrscht Linksverkehr und die offizielle Amtsprache ist Holländisch. Auch hier ist die ethnische Vielfalt eine Besonderheit. Wie in Guyana machen indisch-stämmige eine Mehrzahl aus, während es daneben viele Kreolen, Amerindians und Europa-Stämmige gibt. Einen Grossteil machen auch Java-Stämmige statt, was sich in der Küche mit indonesischen Einflüssen widerspiegelt – mit leckeren Reis und Nudel-Gerichten oder Satay. Dann gibt es einen Grossteil Maroons, ehemalige Afrika-stämmige Sklaven, die sich grösstenteils flussaufwärts des Suriname Rivers niedergelassen haben und auch heute dort noch unabhänig und selbstversorgend leben. Ein Vorteil dieses bunten Mixes ist, dass es hier viel Grund zum Feiern gibt. Hier werden nämlich von allen vertreten Religionen oder Volksgruppen die zentralen Feiertage gefeiert – es gibt Weihnachten also genau so wie Diwali oder Eid al-Fitr etc.
Wir besuchen die Hauptstadt Paramaribo. Die Stadt ist uns ein wenig sympathischer als Georgetown, hat aber ebenfalls schon bessere Zeiten gesehen. Ca. 70% der Häuser/ Geschäfte in der Innenstadt stehen leer / sind verbarrikadiert. Fussgänger treffen wir nicht viele an, dafür umso mehr Autos. Es ist wahnsinnig, was zu jeglicher Uhrzeit in dieser 240’000 Einwohner Kleinstadt für Verkehr herrscht. Wie wir später lernen, werden hier Autos gekauft, um Drogengeld zu waschen und sind extrem günstig. Dazu kommt, dass Spritztouren hier eine beliebte Freizeitbeschäftigung sind, für jene, die nichts zu tun haben und dass Kraftstoff günstig ist. Die Gebäude sind deutlich in holländischem Stil erbaut, nur die drückende Hitze passt nicht ins Bild. Schön zu sehen ist wie sich das gutfunktionierende Zusammenleben dieser vielfältigen Bevölkerung in der Stadtplanung widerspiegelt: Die Synagoge steht direkt neben der Moschee, die Kathedrale ist ein paar Häuser weiter weg und auch Hindu- und buddhistische Tempel sind weitverbreitet.
Wie in Guyana waren auch bei Suriname das Internet oder unser Reiseführer nicht besonders hilfreich, was Tätigkeiten in Suriname abseits von teuren Touren angeht. So suchen wir vergeblich nach einem Touristeninformationscenter. Nach detektivischer Meisterleistung landen wir schlussendlich in einem Regierungsgebäude bei einer Frau im Büro, die wohl irgendwie innerhalb eines Ministeriums für Tourismus zuständig ist. Auf unsere Fragen nach Aktivitäten reagiert sie ziemlich ratlos – eine offizielle Anlaufstelle für Touristen ist dies nicht. Sie verweist uns an eine Touragentur. Die Frau, welche dort für Inlandtourismus zuständig ist hat frei. Ja, als Individualtourist ist es hier nicht einfach. Wir treffen auch nur auf eine Handvoll anderer Touristen – alles Holländer. Immerhin sind es mehr als wir in Guyana gesehen haben. So schlendern wir weiter durch Paramaribo, geniessen das leckere Essen, gehen so günstig wie nie auf der Reise europäische Produkte wie Käse einkaufen. Obwohl Suriname auch teuer wäre, hat die Währung viel an Wert verloren und ist weniger als ein Drittel so viel Wert wie vor der Pandemie. So sind importierte Produkte im Vergleich zu anderen Ländern günstig. Wir besuchen das Fort Zeelandia, ein ehemaliges Fort, das inzwischen ein Museum ist. Leider ist alles in holländisch beschrieben, womit wir nicht viel verstehen.
Suriname hat eine relativ tragische Geschichte hinter sich. 1975 wurde das Land von den Niederlanden unabhängig. Bereits nach ein paar Jahren wurde der erste Prämierminister vom Militär unter Desi Bouterse gestürzt. Daraufhin herrschte jahrelang eine Militärdiktatur, unter welchen es auch zu Bürgerkriegen, Gemetzeln und den sogenannten Dezembermorden 1982 kam – der Hinrichtung von 15 Oppositionellen durch das Militär im Fort Zeelandia. Desi Bouterse wirkte grosse Teile der 80er und 90er Jahre an der Spitze des Landes mit und war von 2010 bis 2020, als Suriname bereits wieder eine Demokratie war, Präsident des Landes. Er wurde mehrfach von internationalen Gerichten verurteilt – nicht nur für die Dezembermorde und sonstige Gemetzel sondern auch für Drogenhandel. Bis heute musste er seine Strafe nicht absitzen, wobei er als Präsident Immunität genoss.
Bei einem Creek trinken wir was und werden von einem Passanten angesprochen. Der Grund: Wir scheinen Touristen zu sein, sehen aber nicht aus wie Holländer. Ja, da ist man in diesem Land bereits ein grosser Exot. Es stellt sich heraus, dass er Schweizer Buschpilot ist, der seit 10 Jahren in Suriname lebt und davor in Brasilien geflogen ist. Er wartet auf ein TV Team von Spiegel TV, welches eine Reportage über Buschpilote dreht. So verbringen wir mit ihm und dem TV Team den Abend. Wir hätten die Möglichkeit gehabt mit ihnen vergünstigt mitzufliegen aber es war leider immer noch zu teuer für uns. Nichtsdestotrotz war es ein spannendes Zusammentreffen. Die Erzählungen vom Buschpiloten hören sich an wie aus einem Actionfilm. Früher hat er die Goldminen im Dschungel versorgt, und was er alles erlebt hat, was Menschenhandel und Drogenschmuggel anbelangt, ist ziemlich traurig. Die Regierung ist scheinbar ziemlich korrupt und was da alles im Dschungel passiert, kommt nie zum Vorschein. Naturschutz hin oder her, wenn das Geld stimmt, kann überall gegraben werden, was wir später auch mit eigenen Augen sehen.
An Raphis Geburtstag müssen wir auf Brot verzichten, da das Lieferschiff mit Mehl für Suriname aufgrund von Hurricane Ian noch in den USA feststeckt. So abgeschieden durch Meer und 2 Flüsse passieren solche Dinge in Suriname häufig: Es kommt zum Beispiel vor, dass die grossen Bierflaschen knapp werden, in welches die lokale Brauerei ihr Bier abfüllt. Dann wird der Pfand für die Flaschen erhöht, damit die Menschen endlich die Flaschen zurückbringen.

Brownsberg Nature Reserve und Abschied von Suriname

Wir verabschieden uns von Paramaribo und gehen ins Brownsberg Nature Reserve, wo wir einen 4×4 Track durch den Dschungel auf den Berg fahren können und dort campen dürfen. Verschiedene Wanderwege führen zu Wasserfällen. Wir sehen dabei ein paar Affen und werden von jeder Menge Bremsen belästigt. Endlich beim Wasserfall angekommen, sind wir ein wenig enttäuscht – Statt Dschungelgeräuschen hören wir eine laute kraftstoffbetriebene Wasserpumpe, welches die durch die Bäume eindeutig identifizierbare Miene betreibt. So viel zu Naturreservat. Danach fahren wir zum Brokopondo Stausee, einem der grössten Stauseen der Welt, aber leider ist der grösste Teil der Strasse abgesperrt. So suchen wir einen Yacht-Club in einer Marina auf, wo wir mal wieder Grossputz machen, Wäsche waschen und duschen können. Dann verabschieden wir uns von Suriname und fahren zur Grenze zum nächsten Ziel: Die E.U.

Noch ein kleines Video zum Abenteuer der Woche davor in der Rupununi Savannah:

Gefahrene Kilometer seit Reisebeginn
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