Von Minen, weiteren Scheibenproblemen und Geysir-Camping

Wie im vorletzten Beitrag geschildert, haben wir dank dem Pfusch einer Werkstatt eine undichte Windschutzscheibe. Neben der Innenverkleidung haben sie auch die Dichtung beschädigt. Eigentlich wollten wir das Problem erst in Chile/Argentinien beheben, da wir die Nase voll hatten von den komplizierten und langwierigen Prozessen Boliviens und der mangelnden Sorgfalt. Da unser Land Cruiser Modell in Chile/Argentinien sehr selten ist, wäre die Beschaffung von Ersatzteilen äussert schwierig und noch teurer. So haben wir es schliesslich geschafft doch noch eine Dichtung zu bestellen zu einer Niederlassung in Potosi, Bolivien. Dies bedeutet für uns zurückfahren zu müssen und einen Umweg von einem Tag, aber Alternativen scheint es keine zu geben. So fahren wir zurück nach Potosi. Aber klar doch ist die Dichtung nicht da, obwohl uns der Verantwortliche mehrfach versprochen hat, dass wir sie bereits in der Woche davor hätten abholen können. Sie wurde noch nicht mal abgeschickt! Wir sind ziemlich wütend, aber zum Glück ist der Angestellte mit dem wir in Potosi zu tun haben hilfsbereiter. Er sorgt dafür, dass die Dichtung sofort los geht womit wir nur einen zusätzlichen Tag verlieren (nach all den vielen Tagen, die wir dank der Geschichte bereits verloren haben).

Potosi

So schauen wir uns Potosi halt doch noch an. Potosi war einst dank der Silberförderung eine der grössten Städte der Welt und weist schöne Kolonialbauten auf. Mit Halloween ist auf der Strasse richtig viel los, die Kinder sind verkleidet und es gibt Festlichkeiten.

Wir in der Cerro Rico Mine

Am nächsten Morgen machen wir eine Minentour durch eine Mine am Cerro Rico, (dem „reichen Berg“), dem Potosi seinen ehemaligen Reichtum zu verdanken hat. Der Cerro Rico hat zu Spitzenzeiten 85% des weltweiten Silbers produziert und auch jetzt noch, viele Jahrhunderte später, werden hier Silber und andere Metalle abgebaut.
Unser Guide hat selbst 2 Jahre in der Mine gearbeitet, ist aber ausgestiegen weil seine Mutter es zu gefährlich fand. Zuerst besuchen wir den Minenmarkt, wo wir Geschenke für die Minenarbeiter kaufen, Säfte, Snacks und Coca Blätter, die den ganzen Tag gekaut werden, um den Hunger zu unterdrücken. Der Guide zeigt uns wie man die Coca Blätter richtig mit dem Katalysator kaut und Raphi nippt an einem Schluck Reinalkohol (98%), was ebenfalls zum Ritual der Minenarbeiter gehört. Dann gehts zu den Minen. Von den 170 Minen im Berg besuchen wir eine. Vor jeder Mine wohnen Familien, welche die Minen bewachen. Mit Helm, Lampe und Covidmaske (gegen den immensen Staub) ausgestattet klettern wir in das steile Loch hinein. Wie so oft diesbezüglich haben wir Pech – da Allerheiligen (Todos Santos) ist, sehen wir keine Minenarbeiter live am arbeiten. Wir zwängen uns durch die engen Tunnels, manche kaum höher als hüfthoch, schauen in 40 Meter tiefe Löcher und gehen über wacklige Holzbrücken. Zuviel Nachdenken dürfen wir nicht, sonst bekommen wir nur Panik. Die Suva hätte jedenfalls gar keine Freude. Das Leben ist hier sehr gefährlich, nicht nur wegen Unfallgefahr und der Explosionen, sondern auch wegen des Staubs, der die ganze Zeit eingeatmet wird. Seit dem 16. Jahrhundert sind hier ca. 8 Mio. Minenarbeiter gestorben, die Lebenserwartung liegt heute noch bei nur 40 Jahren. Zweimal am Tag wird gesprengt und die Steine werden dann in die Wagen gekippt und rausgefahren, wo sie zur Raffinerie transportiert werden. Jede Mine hat auch eine Art Altar der hauptsächlich Freitags besucht wird. Dort sitzt „El Tio“, der Herrscher der Unterwelt, welcher mit Coca Blättern überhäuft und mit Reinalkhol beträufelt wird und eine angezündete Zigarette ins Mund gesteckt bekommt. Wir sind sehr froh als wir wieder aus der Mine in die frische Luft rauskommen und stellen einmal mehr fest wie gut wir es haben.
Dann wollen wir die Dichtung für die Windschutzscheibe abholen und diese einsetzen lassen. Die nächste Überraschung kommt auch so gleich: Die Scheibe, die der Pfuschladen uns verkauft und unsachmässig eingebaut hat, ist zu klein. Raphi schafft es eine neue aufzutreiben, obwohl sich fast alle schon in den 1.5 tägigen Feiertag verabschiedet haben. Es kommt uns aber teuer zu stehen. 700 USD haben wir mehr oder weniger aus dem Fenster geworfen, sicher eine Woche Reisezeit verloren und die Nerven liegen blank. Wir warten eine Nacht bis der Kleber der neuen Scheibe hart ist und fahren dann zurück nach Uyuni. Und dann passiert so etwa das Schlimmste was uns in diesem Moment passieren kann: Ein Steinschlag mit einer Grösse von 2cm auf die neue Windschutzscheibe, die uns solch immense Kosten und Kopfchmerzen bereitet hat. Wir könnten kotzen aber können nichts machen. Wir überdecken den Steinschlag mit Folie und fahren weiter.
In Uyuni besuchen wir den sogenannten Zugfriedhof. Während des Minenbooms und des zweiten Weltkriegs wurden die Wertstoffe (Zinn, Silber, Gold) per Eisenbahn an die Pazifikhäfen transportiert. Uyuni war dabei ein Verkehrsknotenpunkt. Als der Boom nach dem Weltkrieg zu Ende war und Bolivien den Meerzugang an Chile verlor, verkam Uyuni. Die Züge wurden einfach um Uyuni deponiert und verlassen. So befinden sich immer noch ca. 100 verrostete und mit Graffiti versehenen Zugwagen ausserhalb von Uyuni, die besichtigt und bestiegen werden können – eine spezielle Szene so mitten in der Wüste.

Die Lagunenroute

Dann gehts für uns weiter zur sogenannten Lagunenroute auf bis zu 5000 Metern Höhe. Dort wartet bereits die nächste böse Überraschung: Wir kommen nur noch im Schritttempo voran. Zum Glück findet Raphi die Ursache: Das schlechte Diesel Boliviens hat uns den Dieselfilter verstopft. Zum Glück haben wir Ersatz dabei und Raphi kann ihn wechseln. Die Lagunenroute führt durch das Eduardo Avaroa National Reserve bis zur Grenze Chiles. Wie der Name besagt besteht das Reservat aus vielen Lagunen – die aber sehr speziell sind. Manche sind normal blau, andere knallrot, wieder andere leuchtend hellblau oder weiss-bläulich. Dies ist alles den Mineralien (zum Beispiel Kupfer oder Arsen) oder beim roten See den im Salz gedeihenden Algen zu verdanken. In den Lagunen leben Flamingos und um die Lagunen herum Lamas, Alpacas und Vicuñas. Ein lustiger Anblick bietet sich am Morgen, wenn das Wasser über Nacht gefror und die Flamingos gefangen sind bis das Eis langsam auftaut.

Weiter gibt es im Naturreservat heisse Quellen und durch den Wind kreeierte merkwürdige Steinformationen. Die eine Wüste heisst beispielsweise Salvador Dalí- Wüste – ein treffender Name. Die karge Wüste ist bestückt mit einzelnen grossen Felsformationen, die aussehen wie abstrakte Kunstwerke. Wir verbringen zwei Nächte in dem tollen Reservat an wunderschönen Wildcampingplätzen, der zweite direkt an einem Geysir. Dieser ist besonders spektakulär zu Sonnenaufgang, wenn er besonders aktiv ist und das verdunstende Wasser für noch mehr Dampfeffekt sorgt. Aber auch tagsüber sind die Kraft mit welcher der Wasserdampf austritt und die vielen Farben der Erde dank dem Mineralgehalt eindrücklich. Nach diesen paar Tagen auf der Lagunenroute kommen wir an die Grenze im Nirgendwo. Zuerst kommt ein ein wenig verlottertes Häuschen, wo wir die bolivianischen Angelegenheiten abschliessen. Dann fahren wir ein paar Kilometer bis zu einem weitern Häuschen, dieses aber sehr modern und schick für die chilenischen Angelegenheiten. Die Beamten hier haben Pingpongtisch und Tischfussball, um sich die Zeit zu vertreiben. Chile ist sehr strikt was tierische oder pflanzliche Produkte anbelangt. Während wir vor der Grenze noch schnell unsere riesige Restmengen Gemüse verdrücken, müssen wir Linsen und Kichererbsen leider abgeben.

Chile und die Atacama

Raphi im Valle del Arcoiris

Sobald die Grenze überquert ist fahren wir wieder auf Belag- man merkt sofort, dass Chile deutlich reicher ist als Bolivien.
Wir haben Bolivien sehr genossen, insbesondere die Landschaften und die Vielzahl an Dingen zu entdecken ausserhalb von Touristenhotspots. Wir sind traurig, dass wir aus Zeitgründen und wegen der Proteste die Hälfte des Landes ausgelassen haben. Die Menschen waren sehr nett und bescheiden, wir hatten auch nie das Gefühl als Ausländer über den Tisch gezogen zu werden.
Chile ist das reichste oder zweitreichste Land Südamerikas und eines der längsten Länder der Welt – über 4000 Kilometer lang. Wir fahren ins nächste Dorf – San Pedro de Atacama, Ausgangspunkt für Erkundungen in der Atacama Wüste und sehr touristisch. Im Dorf machen wir die Schränke wieder fest, die sich bei den Schotterpisten gelöst haben, da Winkel ausgerissen sind. Wie so oft dauert das sehr lange bis wir alle Teile und Werkzeuge haben. Dafür belohnen wir uns mit einem leckeren chilenischen Abendessen (juhuu auf diesen Breitengraden steht auch wieder Lachs auf der Karte) und Pisco Sours, neben dem peruanischen auch das chilensische Nationalgetränk. Dann erkunden wir ein paar Tage die Atacama, die trockenste Wüste der Welt (mit Ausnahme der Polarwüsten). Die Atacama bekommt weniger als 1 Millimeter Regen im Jahr ab, manche Gegenden haben seit 500 Jahren kein Niederschlag mehr gesehen. Wir spüren die Trockenheit – unsere Lippen reissen ständig auf. Die Gegend ist so unwirtlich und trocken, dass sie für Marsexpedition-Simulationen genutzt wird. Neben Sand und Steinformationen ist die Wüste auch von Salzseen geprägt. Wir verzichten auf die teuren Touristenhotspots und erkunden dafür weniger bekannte Orte wie das Valle del Arcoiris, ein Tal mit riesigen Steinformationen in rot, weiss und grün. Den Sonnenuntergang geniessen wir über dem Valle de la Luna, ebenfalls mit Steinformationen geprägt und dann machen wir Abstecher zu den kargen Salzlandschaften.

Als Abschluss besuchen wir einen Geysir total abgelegen und schwer zu erreichen mitten im Nirgendwo. Der Geysir spuckt konstant Wasser aus, das sich zu einer abstrakten riesigen Eiskulptur geformt hat. In der Wüste, die sonst nie Schnee oder Eis sieht, weil es keinen Niederschlag gibt eine spezielle Erscheinung. Hier übernachten wir auf 4700 Meter bevor wir am nächsten Tag die Grenze zu Argentinien überqueren wollen.

Noch ein Video der Salzwüste letzter Woche:

Noch ein Video der Salzwüste letzter Woche:

0
Gefahrene Kilometer seit Reisebeginn

4 Responses

Add a Comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *