Wo goldene Dünen in die türkise Karibik fliessen

Nach unseren Schwierigkeiten den Land Cruiser zurückzubekommen sind wir seit über einer Woche wieder unterwegs und haben uns in Rekordschnelle mit Kolumbien versöhnt. Landschaftlich ist es wirklich schön und die Menschen werden ihrem Ruf gerecht. Seit Reisebeginn haben wir immer zu hören bekommen, dass die Leute in Kolumbien so toll sein sollen. Und wirklich, bisher sind wir auf unglaublich gastfreundliche, nette, offene, hilfsbereite, interessierte Menschen gestossen. Wir ziehen deutlich mehr Augen auf uns als in Zentralamerika und werden sehr oft angesprochen und in Gespräche verwickelt.

La Guajira

Beim Pilón de Azúcar

Wir machen uns nordwärts zum Guajira Peninsula. Unsere Container Buddies sind ohne High Clearance (Bodenfreiheit) und 4×4 nicht für diese Fahrt ausgerüstet und so stellen wir ihr Van in Riohacha unter, besorgen Essen, Cracker und Wassertüten für die indigene Bevölkerung und tanken nochmals voll bevor wir zu Viert im Land Cruiser weiterfahren. Hier in der Nähe der venezuelischen Grenze ist Volltanken bei 45 Rappen pro Liter relativ schmerzfrei. Danach fahren wir auf die 21’000 Quadratkilometer grosse Halbinsel. Die Fahrt dauert mehrere Stunden und wir bewegen uns grösstenteils auf Wüstentracks statt auf befestigten Strassen. La Guajira ist im Gegensatz vom Rest Kolumbiens geprägt von karger Wüste. Die indigenen Bewohner – die Wayúu – leben hier in einfachsten Verhältnissen, ohne fliessend Wasser, abgeschieden von der Aussenwelt und mit Mangel an Schulen, Arztpraxen oder sonstigen Institutionen. Die Wayúu sind dazumal während der Kolonialisierung in diese Gegend geflohen und haben es als einer der wenigen indigenen Stämme geschafft ihre Traditionen und ihren Lebensstil hier unabhängig zu bewahren, während sie jahrelang für ihre Autonomie gekämpft haben. Heute leben sie in sehr armen Verhältnissen, von der Land- und Viehwirtschaft, der Fischerei, dem Handel mit Kunsthandwerk und dem Tourismus. Als Grenzregion gibt es in der Region auch viele Schmuggelrouten, wobei mit dem Thema Drogenschmuggel relativ offen umgegangen wird. So rechnet uns ein Autobewunderer netterweise vor, dass man mit dem Schmuggel einer vollen Bootsladung Koks von La Guajira in die Dominikanische Republik, einen ähnlichen Land Cruiser wie unseren kaufen kann.

Auf dem Pilón de Azúcar

Landschaftlich ist La Guajira prächtig: Goldene Wüste mit Dünen, die einem eher in Nordafrika wähnen lassen als in Südamerika. Der grösste Unterschied ist dabei, dass die Wüste in der hellblauen Karibik mündet, was für einen wunderschönen Kontrast sorgt. Nach Monaten im heissen und feuchten Zentralamerika sind wir über die Trockenheit extrem dankbar. Der starke Wind sorgt ausserdem dafür, dass die Temperaturen trotz intensiver Sonneneinstrahlung angenehm sind und wir endlich wieder relativ kühle Nächte verbringen.
Den ersten Stopp legen wir im Dorf Cabo de la Vela ein. Aufgrund des starken Windes und des zugleich flachen Wassers ist dies ein Weltklasse – Kitesurfspot. Was für Künste (Sprünge!) die Locals hier draufhaben ist beeindruckend – siehe Video unten. Hier geniessen wir die Kitesurfshow, erfrischen uns im Meer und laufen auf den schönen Pilón de Azucar hoch für den Sonnenuntergang. Während die meisten Menschen hier in Hängematten übernachten schlafen wir im Auto und bauen für Aurore und Salah das Zelt auf. Am nächsten Tag machen wir die Fahrt noch tiefer ins Peninsula rein – nach Punta Gallinas. Viele haben uns davon abgeraten, dies auf eigene Faust zu machen, da man in den unterirdischen Flüssen steckenbleiben kann, es eine Vielzahl an Tracks gibt, ohne dass wir die „guten“ bzw. richtigen Tracks kennen und es teils feindlich gesinnte Locals gibt. So vereinbaren wir mit Tourguides, dass wir gegen eine kleine Bezahlung ihren Touren hinterherfahren. Da doch sehr anspruchsvoll, brauchen wir für die Fahrt fast den ganzen Tag. Krass war die Anzahl an „Schnurblockaden“. Auf der ganzen Fahrt hatten wir vielleicht 150-200 davon. Das sind Locals, die eine Schnur (oder auch ein Stahlseil oder eine Kette) spannen und wollen, dass wir ihnen was geben. Es handelt sich dabei oft um Kinder, ab ca. 2 Jahren bis ins Teenageralter. Manchmal gabs gleich etwa 20 oder so Schnurblockaden hintereinander mit Abstand von etwa 5 Meter dazwischen. Geld sollte man nicht geben und so sind wir froh, dass wir viele Wassertüten, Crackerpakete oder Früchte gekauft haben. Aber es sind so viele, dass wir nicht jedes Mal etwas geben können und manchmal nicht anhalten und die Locals das Seil dann im letzten Moment fallen lassen. Traurig ist auch, dass der Abfall von diesen Wassertüten oder den Esswaren alles in der Wüste landet. Die Situation ist allgemein unbefriedigend. Statt dass alle betteln wäre es besser wenn sich die Clans organisieren würden, Eintritt für das Gebiet verlangen würden, dieses Geld auf die Familien verteilen und die Kinder in die Schule können, statt betteln zu müssen. Aber ja, so eine strukturelle Änderung ist immer einfacher ausgedacht als umgesetzt.

Bahia Hondita

Bei den schönen Dünen Dunas del Taroa, die direkt ins Meer fliessen, legen wir einen längeren Zwischenhalt ein und gehen im Meer schwimmen. Den Sonnenuntergang geniessen wir bei Punta Gallenas, dem nördlichsten Punkt Südamerikas. Ein alter Leuchtturm, viele Steinmännchen und ein Gemälde mit Landkarte, welche Punta Gallenas darstellt, schmücken diesen Ort in der Wüste. Es hat auch einen Wegweiser und wir fühlen uns geehrt, dass die Schweiz als einziges europäisches Land darauf zu finden ist.
Am nächsten Tag fahren wir zurück nach Cabo de la Vela, finden ein einsames Plätzchen, wo Raphi uns einen grossen Fisch fängt, der für alle zum Abendessen reicht. Vom Übernachtungsplatz in der Wildnis werden wir vertrieben, dürfen dann aber gegen eine kleinen Beitrag auf dem Grundstück eines Häuptlings übernachten.

Santa Cruz de Mompox

Raphi in Mompox

Von nun an geht es also südwärts. Schweren Herzens trennen wir uns von unsren Containerbuddies. In einer super Werkstatt in Barranquilla mit nettem Inhaber, der uns noch viele Reise- und 4×4 Tipps auf den Weg gibt, machen wir Service und wechseln den Zahnriemen. Wir waren den ganzen Tag von 08.00 bis 17.00 Uhr in der Werkstatt und haben dafür nur 140 Franken bezahlt! Dann müssen wir zurück nach Cartagena, um bei Agentin Ana die Kreditkarte abholen, die nach über einem Monat endlich aus der Schweiz angekommen ist (Revolut hat kurzerhand entschlossen unsere noch lange gültige Kreditkarte zu ersetzen, was für uns auf Reisen natürlich denkbar ungünstig ist). Die erste, die Anouks Eltern versucht haben zu senden ging verloren, dieses Mal hats zum Glück geklappt. Nun sind wir endlich gefühlt frei von allen Verpflichtungen, verabschieden uns das letzte Mal von der Karibik und fahren ins Landesinnere nach Mompox.
Santa Cruz de Mompox ist eine süsse kleine Kolonialstadt am Magdalena Fluss in einer schönen grünen Sumpf- und Seelandschaft. Infolge der vielen Piratenangriffen auf Städte der Karibikküste sind dazumal viele reichen Spanier nach Mompox gezogen, was sich in der Architektur widerspiegelt. Erst 2015 wurde eine Brücke eröffnet, die Mompox, theoretisch auf einer riesigen Flussinsel liegend, per Landweg mit dem restlichen Kolumbien verbindet. Überrascht haben uns die Schweizer Flaggen überall. Es hat ein bisschen gedauert, bis wir gecheckt haben, dass die Flagge von Mompox ebenfalls aus einem weissem Kreuz auf rotem Grund besteht – der rote Grund repräsentiert das Blut, dass von Momposinos vergossen wurde und das weisse Kreuz die Religiosität, die von den Spaniern übernommen wurde. Abends flanieren wir an der hübschen Flussuferpromenade, geniessen einen Cocktail aus Lulo-Früchten (leckere leicht säuerliche orange Früchte) und Salat aus dem leckeren lokalen Käse bevor wir am Dorfplatz im Auto übernachten.

Los Estoraques

Wir bei Los Estoraques

Weiter westwärts besuchen wir Los Estoraques – eine Landschaft aus grossen braunen Lehmsäulen, die über Jahrtausende hinweg zur jetzigen Form erodiert wurden. Wieder in einem ganz anderen Kolumbien geniessen wir da den friedlichen Spaziergang mit Vogelgezwitscher und der gelegentlichen Kuh-Begegnung. La Playa de Belen, das süsse Städtchen vor dem kleinen Nationalpark begeistert uns ebenfalls. Es war ein schöner Ausflug in die Berge, aber der Verkehr treibt einen in den Wahnsinn. Die Distanzen sind sehr lang und die Strassen, ja auch die Mautstrassen, alle einspurig. Konstant steckt man so (insbesondere auf den zahlreichen kurvigen Bergstrassen) hinter im Schneckentempo fahrenden Lastwagen fest.
Nun ist es für uns endgültig Zeit in kältere Gefilde zu fliehen – wir haben wieder eine Kakerlake entdeckt und freuen uns nun auf die Berglandschaften weiter südlich, welche dem Schwitzen in der Nacht und jeglichen Kakerlaken hoffentlich endgültig ein Ende setzen werden.

Gefahrene Kilometer seit Reisebeginn
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