Von haarsträubenden Brücken, Salzkathedralen und explosivem Nationalsport

Gefährliche Brücken

Diese Woche sind wir ziemlich vorwärts gekommen trotz mühsamen Strassen und vielen Sehenswürdigkeiten. Statt über 30 Grad in der Nacht begegnen wir inzwischen auch tagsüber Menschen, die in Wintermänteln rumlaufen (was für unser Empfinden übertrieben ist – wir laufen immer noch in kurzen Klamotten rum, aber die Nächte sind nun angenehm kühl). Angefangen haben wir die Woche mit einem Offroad-Track entlang einer alten Zugroute, die uns vom Chef unsrer Werkstatt in Barranquilla empfohlen wurde. Der Track ist abenteuerlich, führt durch Schlamm, enge stockdunkle Tunnels und über wacklige enge Holzbrücken, bei welchen wir hoffen, nicht runter zu stürzen. Die Landschaft ist aber sehr schön und der Track hat Spass gemacht (Video unten). 

Cañón del Chicamocha

Weiter fahren wir zum Canyon Cañon de Chicamocha. Beim schönen Wildcamping-Spot mit Aussicht treffen wir lustigerweise wieder auf unsere Container Buddies. Mit ihnen geniessen wie den Abend und am nächsten Morgen bekommen die Herren noch einen Haarschnitt verpasst, inklusive Aussicht und ein paar Geissen als Zuschauer. Wir fahren eine wunderschöne Strasse in den Canyon hinein zum Dorf Cepitá. Das winzige Dorf ist wirklich süss, sieht wohl kaum je andere Touristen und in den Bäumen auf dem Dorfplatz entdecken wir sogar seltene blau-gelbe Aras! Wenn man zu Fuss über den Fluss möchte, dann muss man die Handseilbahn nehmen: Über dem Fluss ist ein Seil gespannt. Daran hängt eine Holz-Schnur-Konstruktion, auf die man sich setzen kann und sich dann auf die andere Seite des Flusses rüber ziehen muss. Nach dem Canyon fahren wir ins Städtchen San Gil. Es ist der grösste Ort in der Umgebung und deswegen müssen wir hier ins Spital: Vielleicht aufgrund eines Insektenstichs in den insektenreichen Nächten an der Küste hat Anouk eine merkwürdige Infektion am Bein, mit immer häufiger erscheinenden kleinen eiternden Bläschen. Ekelhaft so etwas auf Reisen zu haben ohne zu wissen was es ist, insbesondere, da diese Infektion kurz nach Anouks Fieberschüben ausgebrochen ist. So besucht Anouk das Regionalspital und nach anderthalb Stunden warten und mit gebrochenem Spanisch und Google Translate das Problem erklärend, bekommt sie ohne Untersuchung ein Medikamentencocktail verschrieben. Die Salbe und 2 Arten von Tabletten (eine davon Antibiotika) kosten insgesamt 4 Franken, der Arztbesuch war kostenlos. Ein paar Tage später sehen die infizierten Stellen auch schon viel besser aus.

San Gil und Barichara

In San Gil besuchen wir den El Gallineral Park. Wie oft in dieser Umgebung gibt es hier jede Menge von Bäumen voller sogenannten Barba de Viejo (=Bärte alter Männer). Die Umhänge voller Moos geben den Bäumen hier die Erscheinung alter Männer mit langen silbrigen Bärten.
Wieder mit den Container Buddies unterwegs besuchen wir die Kolonialstadt Barichara, die uns mit den Pflastersteinstrassen und den geschmückten Häusern begeistert. Spezialität sind Riesenameisen – Hermigas Culonas, zu deutsch Fette-Hintern-Ameisen. Raphi hat eine probiert, sein Kommentar: „knusprig und speziell“. Als nächstes fahren wir nach Guadalupe. Hier in der Umgebung fühlen wir uns wie in der Schweiz im Mittelland. Überall grüne Hügel, eine friedliche Atmosphäre, Kühe, Kuhgeruch und Gemuhe und hin und wieder ein Haus. Wir parken unser Auto auf dem Land und laufen dann einen idyllischen Spazierweg zu perfekt runden Steinpools, durch welche ein Fluss fliesst. Hier erfrischen wir uns und erkunden das unterirdische Tunnel.

Ventanas de Tisquizoque und Villa de Leyva

Als Nächstes wollen wir zu den Ventanas de Tisquizoque. Dieser Wasserfall ist total abgelegen und wir müssen um hinzukommen mehrere Stunden lang einen schrecklichen Schlamm-Track fahren. Scheinbar haben nicht nur wir Mühe. Unterwegs treffen wir ganze 3 festgesteckten Autos, das eine sogar ein Schulbus. Wir ziehen sie aus dem Schlamm raus und sind selber sehr überrascht, dass wir nach 3 Versuchen den Schulbus mit unserem viel kleineren Auto schaffen rauszukriegen (Video siehe unten). Aber die Leute haben sich gefreut und die Schulkinder waren begeistert von unserem Auto und haben die Flaggen-Kleber der Länder bewundert, die wir schon alle besucht haben. Im winzigen Kaff namens Florian übernachten wir am Dorfplatz. Schon schön, dass es hier noch viele Orte hat, die touristisch nicht sehr erschlossen sind. Am nächsten Morgen besuchen wir den spektakulären Wasserfall. Aus einer Höhle fliesst das Wasser in 3 hintereinander fallenden Wasserfällen raus, der längste davon 300 Meter lang. Nachdem wir zuerst den falschen Weg nehmen und uns gehörig im Schlamm verlaufen und teils halb versinken, sind neben dem Auto nun auch unsere Beine voller Schlamm. Ein paar Locals weisen uns den richtigen Weg und so finden wir zur Höhle, von welcher aus das Wasser in die Tiefe fällt. Eine gigantische Aussicht geniessen wir von da oben. Der Ausflug hat sich gelohnt (Video unten). Auf dem Rückweg finden wir irgendwo auf dem Land einen Wasserfall, wo wir uns den Schlamm abputzen und auch wieder mal duschen können. Weil wir unseren Wassertank füllen möchten und sauberes Wasser in Kolumbien schwierig per Schlauch zu bekommen ist, halten wir in einem Dorf bei einem Stand an und nachdem wir eine leckere Empanada bestellt haben fragen wir, ob wir Wasser kaufen können. Der nette Mann füllt uns eimerweise Trinkwasser von seiner eigenen Quelle ab und bringt es uns zum Auto, um den Tank zu füllen. Er will kein Geld annehmen und so kaufen wir dafür noch ein paar Sachen von ihm ab. Er freut sich, wir zeigen unseren Camper und in Nullkommanichts ist das ganze Dorf vor Ort und staunt. Wahnsinnig diese Herzlichkeit auf dem Land.

Als Nächstes besuchen wir das pittoreske Städtchen Villa de Leyva in den kolumbianischen Anden. Mit den einstöckigen hübschen Häusern, den Kopfsteinplasterstrassen und dem grössten Dorfplatz Kolumbiens diente Villa de Leyva schon in der Kolonialzeit hochrangigen Menschen und Vizekönigen als Erholungsort. Das Städtchen ist wunderschön aber auch sehr touristisch. Es findet momentan ein Festival statt und so ist der Dorfplatz voll mit Ständen, einer Bühne und Bahnen, die zum Teil interessant zusammengebastelt sind (kleine Plastik-Kinderautos an Kleiderbügeln befestigt, die dann ein fliegendes Karussell ergeben). Wie geniessen von den Ständen leckere Spezialitäten, wie zum Beispiel Lechona – kolumbianisches Spanferkel welches im Erdofen in der Haut gefüllt mit Reis, Erbsen und vielen leckeren Gewürzen 10 Stunden lang gekocht wird.

Catedral de Sal und Bogota

Kurz vor Bogotá besuchen wir die Catedral de Sal (Salzkathedrale) von Zipaquirá. Die Salzkathedrale ist eine riesige religiöse Einrichtung mit beleuchteten Kunstwerken aus Salz und Marmor in den Tunnels und Hallen einer ehemaligen Salzmine 200 Meter unter der Erdoberfläche.
Schon vor Kolonialzeiten wurden die Salzvorkommen in Zipaquirá entdeckt und zu Nutze gemacht. Ab dem 19. Jahrhundert wurden dann richtige Salzminen erschaffen, worauf sich ein paar Minenarbeiter eine kleine Zufluchtskammer zum Beten gebaut haben. Um 1950 wurde dann eine richtige Kathedrale daraus, die aber aufgrund der weiter anhaltenden Minentätigkeiten geschlossen werden musste, da sie zu unstabil wurde. Erst in den 1990ern wurde dann eine neue Salzkathedrale in anderen Minenschächten gebaut, die nun heute besichtigt werden kann. Da die Salzgewinnungstechnik sich verändert hat und es keine Erschütterungen mehr gibt, bleibt die Kathedrale stabil. Früher wurde das Salz mit dem Fels gesprengt und danach das Salz mit Wasser gelöst. Heute wird auf die Sprengung verzichtet, da das Wasser mit Druck in den Fels gepumpt wird und das Salz löst. Sicher ein imposantes Bauwerk und mal eine ganz andere Sehenswürdigkeit, auch wenn es für unseren Geschmack ein wenig sehr kommerziell war.
Nun kommen wir in die Hauptstadt Kolumbiens: Bogotá. Die Stadt ist mit 12 Mio. Einwohnern (inkl. Umkreis, entspricht 22% der Bevölkerung Kolumbiens), die grösste Stadt Kolumbiens und mit einer Höhenlage von 2700 Metern eine der höchsten Grossstädte Südamerikas. Da wir das Nachtleben kennenlernen möchten und unser gesicherter Parkplatz bereits um 21.00 Uhr schliesst, nehmen wir ein Hotel und feiern überrascht die erste heisse Dusche seit dem Hot Spring Waterfall in Guatemala, der sich zumindest wie eine heisse Dusche anfühlte. Wir suchen erfolglos nach einer bezahlbaren Seilwinde. Der Prozess war interessant: Man fährt ins Quartier für Autoersatzteile. In dem Quartier hat es hunderte kleine Läden mit Ersatzteilen, gearbeitet wird oft direkt auf der Strasse. Wir fahren ins Quartier und werden relativ schnell von Jemandem angesprochen, der sich im Labyrinth von Läden auskennt. Man wartet im Auto während dieser versucht das gewünschte Teil ausfindig zu machen und all seine Kontakte aktiviert. Danach kann man ein Trinkgeld geben. Unser Mann hat sich sehr Mühe gegeben, aber ein weiteres Mal stellen wir fest, dass eine Seilwinde hier aufgrund der hohen Importsteuern nicht in unserem Budget liegt. Abends gingen wir aus und am Sonntag haben wir uns ins Getümmel gestürzt und die Stadt ein wenig zu Fuss erkundigt. Bogotá ist definitiv keine Augenweide. Im Zentrum La Candeleria gibt es ein paar schöne Kolonialbauten, aber das wars auch schon mit Schönheit. Es ist aber eine äusserst lebendige, spannende Stadt. In den vielen Fussgängerzonen sind wie komplett überwältigt von all den Eindrücken, den unzähligen Strassenständen, die alles mögliche verkaufen, dem Streetfood, den vielen Aufführungen, sogar „Guggenmusik“, den Strassenkünstlern oder auch einfach den vielen unterschiedlichen Menschen, die vom Kleidungsstil und dem Benehmen her irgendwie vielfältiger sind, als wir es beispielsweise in Zentralamerika erlebt haben. Wir wissen gar nicht wohin mit den Augen, so viele Eindrücke auf einmal. Am Abend treffen wir uns mit einem Amerikanisch-mexikanischen Pärchen, welches seit 3 Monaten in Bogotá ist und darauf wartet endlich den Roadtrip durch Südamerika zu starten, aber Probleme mit dem frisch gekauften Auto hat. Mit ihnen gehen wir Tejo spielen. Tejo ist der offizielle National-„sport“ Kolumbiens und beinhaltet Bleikugeln, Schiesspulver und viel Bier. Das Spiel wurde ca. vor 500 Jahren von der indigenen Bevölkerung erfunden. Auf einer Platte mit viel Lehm befinden sich kleine Briefchen mit Schiesspulver. Mit einer halben Kilo schweren Bleikugel muss man die Platte bewerfen und erhält je nachdem, ob die Mitte oder ein Schiesspulverbriefchen getroffen wird und dabei eine Explosion ausgelöst wird, unterschiedlich viel Punkte (Video unten). Dabei wird oft ziemlich viel Bier getrunken. Es war auf jeden Fall eine lustige Erfahrung. Eigentlich wollen wir danach Bogota verlassen, finden aber heraus, dass wir dummerweise am gewünschten Abfahrtstag nicht fahren dürfen. Je nach Endung des Kennzeichens darf jedes Auto jeden zweiten Tag nicht gefahren werden, um die Verschmutzung und Strassenverstopfung zu verringern. So erledigen wir noch einen Tag lang Diverses, geniessen einen Kaffee und schreiben diesen Bericht 🙂

Unser Zugstrecken-4×4-Track:

Unsere Schulbus-Rettungsmission:

Ventanas de Tisquizoque Wasserfälle:

Gefahrene Kilometer seit Reisebeginn
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