Eine schreckliche Woche mit Happy End: Ein Bürokratie-Krimi

Ein Sonnenuntergang in Cartagena

Eine kleine Vorwarnung: Es folgt ein Bericht, in welchem wir uns hauptsächlich über unsere „Luxusprobleme“ beklagen. Denn ja, es könnte noch viel schlimmer sein: Wir könnten ausgeraubt worden sein, einen Unfall gehabt haben, der Container im Meer versenkt worden sein, oder wir könnten diese Reise gar nie erst angetreten haben. Aber die Bemühungen unser Auto zurückzubekommen waren trotzdem mental zermürbend. Falls jemand Positives lesen will, würden wir ans Herz legen, andere Beiträge zu lesen, da unsere Reise ansonsten von A bis Z wundervoll ist und wir sonst nur lobende Worte finden für die besuchten Orte und die Menschen, welchen wir begegnen.
Dies war unsere zweite Woche in Cartagena und die Woche, wo wir nach Verspätungen endlich den Land Cruiser zurückerwarten.
Der erste Tag in Cartagena war überwältigend – neuer Kontinent, neues Land, neue Kultur, lebensfreudige Mentalität. Die erste Woche war dann teils ernüchternd und die zweite Woche hätten wir an manchen Tagen am liebsten direkt kehrt gemacht. Zurück ins bunte, freundliche Zentralamerika, ins paradiesische Mexico oder die vielfältige USA – wir sehen alles andere nur noch durch die rosarote Brille.

Ein Container wird paratgestellt

Was anstrengend war, war vor allem die mangelnde Planbarkeit, die Ungewissheit und die Ohnmacht, nichts machen zu können oder auch nicht verstehen zu können wieso jetzt etwas nicht klappt oder so lange geht. Wenn wir gewusst hätten, dass es so lange geht, hätten wir nämlich schon längst etwas anderes gemacht in der Zwischenzeit. Man mag es nicht glauben, aber auch bei einer solch langen Reise ist man unter Zeitdruck und jede einzelne Minute wertvoll.
Am Mittwoch hätte es nämlich endlich so weit sein sollen. Nachdem unser Container eine Woche verspätet auf das Schiff geladen wurde und die Freigabe etwas länger gedauert hat, weil wieder mal ein Feiertag war (in Kolumbien gibt es 19 landesweite Feiertage, regional wohl noch mehr) hätten wir am Mittwoch endlich das Auto abholen können. Der ganze Prozess wurde uns auch auf Nachfrage von der Agentin nie deutlich erklärt und es war auch frustrierend zu sehen, wie unorganisiert sie arbeitete und nie wusste wer jetzt zu wem, zu welchem Container, zu welchem Auto oder zu welchem Verschiffungsdatum gehörte. Aber um fair zu bleiben, hat sie ansonsten einen guten Job gemacht.

Raphi fährt aus dem Container

Das Ganze war von Anfang an mühsam, weil wir immer auf ominöse Emails warten mussten, die dann den nächsten Schritt einläuteten. Dies war immer wieder der Fall, das heisst irgendwie mussten wir immer in der Nähe des Hafens bleiben, um schnell reagieren zu können. Dienstagabend kam die erste Mail und so gingen Raphi und Salah am Mittwoch zum Port. Viel Gewarte und von Arbeitern nicht eingehaltene Termine später, können sie endlich den Container öffnen. Die Rampe macht das Herausfahren zu einer Herausforderung. Cartagenas Hafen verlangt, dass wir die Stahlfelgen für 170 Dollar vom Hafenpersonal austauschen lassen, statt es selber zu machen, was eine absolute Frechheit ist. Raphi hat den Wechsel in Panama ohne Hilfe und ohne Probleme in 30 Minuten geschafft. Wir haben sogar angeboten einfach mit den Stahlfelgen aus dem Hafengelände rauszufahren. In den USA mit weit höherem Lohnniveau haben wir für 60 USD alle 5 Reifen wechseln und ausbalancieren lassen. Aber wir wurden von der Agentin schon im Voraus diesbezüglich informiert und haben deswegen den Reifenwechsel organisieren lassen. Die Reifenwechsel-Spasstis kamen aber erst mit 2 Stunden Verspätung (während für uns alles schnell gehen musste, wenn wie noch am selben Tag den Hafen verlassen wollten). Sie waren ausserdem unfähig, so dass Raphi den grössten Teil selbst machen musste. Salah hat zum Glück gefilmt und so konnten wir reklamieren und mussten nicht die vollen 170 Dollar bezahlen.
Dann mussten Raphi, Salah und die weiteren Reisenden, die seit 2-3 Wochen warten, das Auto im Hafen lassen und die Schlüssel abgeben. Für uns eine weitere Frechheit aus folgendem Hintergrund: Eine Verschiffungsmöglichkeit ist Roll-On Roll-Off (RoRo), wo statt ein Container das Auto direkt aufs Schiff gefahren wird und die Schlüssel abgegeben werden. So haben wir auch in die USA verschifft, da RoRo-Verschiffungen nach Nordamerika erfahrungsgemäss relativ sicher sind. Da die Schlüssel abgegeben werden ist die Chance eines Einbruchs aber extrem hoch (in Lateinamerika, unseren Gesprächen mit anderen Reisenden gemäss etwa bei 80%, ausser man reist mit einem festungsähnlichen Lastwagen). Genau aus diesem Grund wählen die meisten einen Container, wo ja der Zugang zum Inhalt des Containers nur für die Eigentümer möglich sein sollte. Dass wir nun die Schlüssel abgeben sollen und unser Auto mitsamt ungesicherten Inhalt ungeschützt im Hafen rumstehen soll, nachdem wir genau das mit dem Container verhindern wollten, macht uns schon wütend. Immerhin versichert uns unsere Agentin Ana, dass es sicher sein soll und wir haben bei Containerverschiffungen auch noch nichts von Einbrüchen gehört.

Durch den Zaun schauen wir sehnsüchtig unsere Autos an, wie sie im Hafen stehen

Wir können nichts machen und so bleibt nichts anderes übrig als auf die nächsten Dokumente zu warten. Unerwarteterweise ist die zuständige Person „sehr beschäftigt und hat Ferien“ (was nun genau??), so dass am Mittwoch nichts weiter passiert. Die anderen Reisenden sind teils noch wütender als wir, da sie noch länger warten und beim einen Container wurde ein Motorrad schlecht gesichert, so dass das benachbarte Auto beschädigt wurde. Dies zieht sich die Woche so hin. Das Frustrierende ist, dass Ana den Prozess nicht kommuniziert und keine klaren Antworten gibt. Bei den vielen Reisenden und Kommunikationswegen fliessen so überall Wahrheiten, Gerüchte und Halbwahrheiten. Wir werden die ganze Zeit vertröstet und müssen immer wieder auf eine Email warten für den nächsten Prozessschritt. Jeden Tag in der Hoffnung nun das Auto abholen können, packen wir alles zusammen, checken aus dem fenster- und klimaanlagelosen, trostlosen Zimmer aus, um irgendwann wieder zu einem noch höheren Preis einzuchecken. Wir sitzen in den trostlosen Cafés oder in der Mall und warten, hypothesieren, lästern. Ein gravierender tropischer Sturm wird von den Medien vorhergesagt, was uns weiter beunruhigt und worauf Stellen im Hafen wiederum drohten zu schliessen. Und das Wochenende nähert sich. Am Montag ist wieder Mal Feiertag (der dritte Montag in Folge) und wenn wir das Auto am Freitag nicht bekommen, dann frühestens am Dienstag. Irgendwann wurden wir informiert, dass das Bill of Landing Dokument aus unerfindlichen Gründen nicht erstellt werden kann und deswegen alle erst nächste Woche ihr Auto abholen können und diese somit unverschlossen im Hafen bleiben. Grosse Aufregung. Unsere Container Buddies Aurore und Salah, die gut spanisch sprechen haben ein riesiges Theater gemacht. Da diese Nacht auch kein günstiges Hotel in der Nähe frei war haben sie sich bei Ana unsrer Agentin einquartiert und sind ihr von dann an auf Schritt und Tritt gefolgt, stets Druck ausübend, damit Ana diesen auch weiter gibt. Und ja Ana hat sich wirklich für uns eingesetzt. Irgendwann haben Aurore und Salah gar die französische Botschaft kontaktiert, die dann ihrerseits auf verschiedene Stellen Druck ausgeübt hatte. Stark unterstützt beim Druck ausüben wurden sie von einem deutschen Pärchen, das bereits eine Woche länger auf den Container wartet. Anouk lag mit Hochfieber im Hotelbett und war damit keine Hilfe, während Raphi bisschen hin und her sprang. Die meisten der etwa 10 Parteien (Fahrzeuginhaber der 4 Container) haben sich wohl schon halb damit abgefunden, dass wir noch bis nächste Woche in der inzwischen allseits gehassten Stadt Cartagena verbringen müssen. Aber der Druck bringt etwas – im Verlauf vom Freitag erhalten wir die Neuigkeit, dass wir wohl doch noch die Autos abholen können. Es folgt weiteres Hin und Her und stundenlanges Warten am Hafen. Irgendwann gegen 18.00 Uhr Freitags können die Männer dann rein in den Hafen. Vor dem Rausfahren müssen sie plötzlich wieder kehrt machen weil noch irgendein Dokument fehlt. Ein weiterer Schreckensmoment. Aber dann schlussendlich kommt alles gut und irgendwann am Freitag gegen 19.00 Uhr, letzte Minute vor dem langen Wochenende fahren die Fahrzeuginhaber endlich mit den Fahrzeugen aus dem Hafen – Hallelujah.

Raphi chillt in der Hängematte in Dibulla

Am nächsten Tag ist somit der lang ersehnte Tag gekommen und nach einem teuren Einkauf und günstigem Tanken (55 Rappen pro Liter Diesel) brechen wir endlich auf um Südamerika zu entdecken. Mit Aurore und Salah fahren wir der Küste entlang gegen Norden. In Barranquilla sind wir ein wenig von der Hässlichkeit der Shakira-Statue schockiert. Barranquilla ist die Heimatstadt Shakiras. Jemand verglich die Statue mit einem Ork mit Gitarre was leider ziemlich nahe kommt. Ein weiterer Halt machen wir in Dibulla wo wir am Strand chillen und übernachten. Hauptziel ist aber La Guajira – die nördlichste Wüste Südamerikas, aber dazu mehr nächste Woche.

Gefahrene Kilometer seit Reisebeginn
0

6 Responses

Add a Comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *