Zwangsferien in der hübschen Kolonialstadt Cartagena

Cartagenas Kolonialbauten

Nach fast einem Jahr Reise sind wir also endlich in Südamerika angekommen – mit dem Segelschiff von Panama aus. Unser Container mit dem Land Cruiser wurde leider nicht auf das vorgesehene Schiff geladen und verspätet sich damit um eine Woche. Die Schiffe sind oft überbucht, und nein, wir sind keine Prioritätskunden von Maersk 🙃 Wir können sogar von Glück reden, dass es sich nur um eine Woche Verspätung handelt (plus wegen Feiertagen ein paar weitere Tage Verzögerung bei der behördlichen Freigabe). Diejenigen, die eine Woche vor uns verschifft haben werden ihr Auto gleichzeitig erhalten und haben damit sogar 2 Wochen Verspätung.
Da Touren teuer sind und wir ja bald wieder mobil sind, sitzen wir halt nun anderthalb Wochen in Cartagena fest. Neben Administrativem und Planung bleibt uns so viel Zeit die Stadt kennenzulernen. Immerhin handelt es sich im ummauerten Stadtkern dabei um eine wirklich schöne Hafenstadt mit wunderschönen Kolonialbauten.

Raphi in Getsemani

Am ersten Abend sind wir total überwältigt. Im Stadtkern ist so viel los, so viel Leben, so viele Menschen, ein bunter Mix aus Einheimischen aber auch vielen lateinamerikanischen und westlichen Touristen. Es wird auf der Strasse gefeiert und wir sehen Segelbootsgefährten wieder oder unsere Container Buddies. Durch die schönen Bauten, der Partystimmung und den Pubs überall werden wir stark an Amsterdam erinnert. Es könnte aber auch daran liegen, dass uns die ganze Zeit zuerst laut Bier und Zigarren angeboten werden und dann leise flüsternd Marihuana, Haschisch oder „weissen Kaffee„, also Koks.

Auf einer Rooftop Bar

Cartagena de Indias wurde im 16. Jahrhundert von den Spaniern gegründet. Zeitweise war es die wichtigste Hafenstadt der Americas. Sie war Standort für die Inquisition und den grössten Sklaven-Hafen Lateinamerikas mit florierendem Sklavenhandel. Als reiche Handelsstadt wurde Cartagena oft von Piraten, weswegen aus Korallen Mauern um den Stadtkern gebaut wurden, die auch heute noch intakt sind. Verschiedene Festungen, darunter auch die grösste Kolonialfestung von gesamt Südamerika – das Castillo de San Felipe beschützten die Stadt.

Rooftop Brunch mit den Container Buddies

Die ersten Tage waren wir noch ganz wackelig auf den Beinen, nach 5 Tagen auf See ist es ungewohnt, wenn man nicht mehr die ganze Zeit schaukelt. Wir geniessen die internationale sowie lokale Küche und Streetfood. So ohne Land Cruiser und eigene Küche sind wir „gezwungen“ immer auswärts zu essen, was auch mal schön ist zur Abwechslung. Wir besuchen einige Rooftops – in Form von Bars aber auch mal in Form von einem Brunch.
Wir treffen uns mit den Segelturngefährten wieder und anderen die verschifft haben und unternehmen viel mit unseren Container Buddies. Im modernen Hochhaus-Viertel Bocagrande bewundern wir die Hochhäuser und kucken uns im Kino (zum Glück auf Englisch) den neuen Top Gun Film für 4 Dollar an. Bei einer „Free City Tour“ lernen wir viel über die Geschichte der Stadt und im hippen, ehemals armen und mittlerweile gentrifizierten Quartier Getsemani schlendern wir durch die mit Streetart versehenen Strassen.
Abends ist in Getsemani jeden Tag Party, Aufführungen und Tänze finden auf den Plätzen statt, überall gibt es Streetfood und Cocktailstände. Ein Burgerstand hat es uns besonders angetan. Mit Burgerpatty, Bacon, Schinken, Pouletbrust, einem gebratenen Mix aus leckerem Gemüse und Zwiebeln, einem riesigen Haufen auf der gleichen Platte geschmolzenen Käse wird eine krasse Kalorienbombe gebastelt.

Castillo de San Felipe de Barajas

Wir besuchen das riesige Fort Castillo de San Felipe und sind beeindruckt von den Dimensionen, den Tunnels, durch welche die Verteidiger sich geschützt zwischen den verschiedenen Ecken des Forts fortbewegen konnten und der wunderbaren Aussicht. Wenn das Fort nicht gewesen wäre, wäre die britische Attacke auf Cartagena im 18. Jahrhundert vielleicht erfolgreich gewesen. Den ummauerten Stadtkern hatten sie nämlich bereits eingenommen und so sind sie nur am Fort gescheitert. Dann wäre Kolumbien vielleicht eine englische Kolonie geworden und die offizielle Sprache heute Englisch.
Kulturell ist neben dem Kolonialbauten auch der lebhafte karibische Einfluss spürbar. Man sieht viele Palenqueras -afro-amerikanische Frauen in traditionellen bunten Kleidern, die für Fotos posieren oder Früchte verkaufen, welche sie in Körben auf dem Kopf transportieren. Ursprünglich kommen sie aus San Basilio de Palenque, einer Stadt in der Nähe von Cartagena, welche im 17. Jahrhundert durch geflohene Sklaven gegründet wurde. Als erste Stadt konnte sie, lange vor allen anderen, ihre Unabhängigkeit zur spanischen Kolonialmächte sichern. Damit war die Stadt wirtschaftlich allerdings abgeschieden und brauchte neues Einkommen. Während die Männer zu Hause blieben, gingen so die Frauen regelmässig in die Grossstadt Cartagena, um Früchte zu verkaufen, die in San Blasio im Überfluss wuchsen. Mittlerweile sind diese Palenqueras längst ein Wahrzeichen von Cartagena. Interessant war auch der Museumsbesuch im Inquisitionspalast. Das Inquisitionstribunal von Cartagena war zuständig für die Inquisition weiter Teile von Südamerika, das heisst für die Verfolgung von anderen Religionen, schwarzer Magie oder anderen Ansichten, Bräuchen oder Tätigkeiten welche vom Papst nicht toleriert wurden. Über 900 Menschen wurden im Zuge der Inquisition vom Tribunal in Cartagena verurteilt. Noch heute sieht man das Fenster, durch welches die Menschen Zettel werfen konnten wenn sie jemanden denunzieren wollten. Neben der Geschichte wurden im Palast auch die Folterinstrumente ausgestellt. Diese wurden vorübergehend von der Ausstellung entfernt, als der Papst Cartagena 2015 besuchte – der arme Papst soll ja nicht schockiert werden.
Ein weiterer Ausflug haben wir zu unsrer Verschiffungsagentin ausserhalb des ummauerten Stadtkerns unternommen. Wir wollten herausfinden, ob sich irgendwie der Prozess das Auto nach Ankunft zu bekommen beschleunigen lässt. Das Unterfangen war zwar nicht erfolgreich aber es war definitiv spannend und erschreckend das Cartagena zu Gesicht bekommen, welches nicht für Touristenaugen gedacht ist. Wir liefen zwischen einem riesigen Markt und der Meereszunge. Alles ist voller Müll und es stinkt so grässlich wie wir es noch nie erlebt haben. Leute wohnen im Müll an der Meereszunge und verrichten ihr grosses Geschäft in der Öffentlichkeit. Daneben wird stinkender Fisch verkauft. Solche prekären Zustände haben wir noch nicht gesehen, auch nicht in Honduras oder Guatemala. Kolumbien hat wohl wie Panama viel mit Ungleichheiten zu kämpfen, und zusätzlich viele extrem arme Flüchtlinge aus Venezuela, die nach Kolumbien fliehen . Wenigstens wurde an unserem ersten Tag in Kolumbien ein neuer Präsident gewählt und die Hoffnung der Bevölkerung, dass nun bessere Zeiten anbrechen ist spürbar. Wir hoffen das Beste. Morgen können wir hoffentlich den Land Cruiser abholen und dann melden wir uns nächste Woche hoffentlich wieder von unterwegs aus.

Gefahrene Kilometer seit Reisebeginn
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