Abenteuer entlang der Carretera Austral im Herzen Patagoniens

Auf der Carretera Austral geht es immer weiter Richtung Süden. Die Carretera Austral ist eine 1300 Kilometer lange Strasse, die bis nach Villa O’Higgins führt von wo sie aufgrund eines Sees und dem Inlandeis Patagoniens endet. Wenn man in Chile weiter südlich möchte, muss man das Boot nehmen oder auf der argentinischen Seite runterfahren. Die Strasse ist berühmt für ihre malerische Umgebung mit Seen, Gletschern, Bergen. Inmitten der Fjordlandschaft von Chile ist die Strasse aber nicht durchgehend und so nehmen wir in Pichicolo die Fähre. Während sonst alle Reisenden die direkte Fähre der Nachbarsstadt nach Caleta Gonzalez wählen, haben wir uns für eine Alternative ab Pichicolo entschieden, da sie halb so viel kostet. Dabei müssen wir Zwischenhalt auf dem Ayacara Peninsula einlegen, welches nicht per Strasse zugänglich ist, sondern nur über die Fähre.

Ayacara Peninsula

Wir entschliessen uns auf Ayacara einen Tag zu bleiben, die 50 Kilometer lange Sackgassenstrasse in beide Richtungen zu erkunden und mal einen Ruhetag einzulegen. Schon auf der Fähre sagt uns jemand, dem Raphi den platten Reifen aufpumpt, dass es total ungewöhnlich sei, dass Touristen nach Ayacara kommen. Auf der Insel wird uns das von einer neuen Bekanntschaft bestätigt. Die Überfahrt ist schön – auf dem Pazifik, vorbei an Seelöwen und mit Blick auf die Halbinsel Chiloe. Die Wellen sind hoch, so dass unser Auto wieder mal so richtig schön mit Salzwasser eingesaut wird – toll. Auf dem ruhigen Peninsula angekommen fahren wir erstmal auf einen Kiesstrand – hier möchten wir campen. Der Strand ist voll mit riesigen Muscheln, die man wohl gut kochen könnte. Wir treffen auf 2 Locals, die begeistert von unserem Auto sind. Sie spricht sehr gut Englisch und erzählt uns vom Leben auf dem Peninsula. Sie ist eine von 3 Ärzt/Innen hier, die die rund 500 Bewohner plus jene umliegender Inseln versorgen. Ihr Freund ist Rettungssanitäter und gleichzeitig Praxisgehilfe solange es keinen Einsatz gibt. Es gibt weder Tankstellen noch Läden mit regelmässigen Öffnungszeiten. Ein Lieferant mit frischem Gemüse und Obst kommt jeweils am Samstag einmal vorbei. Es gibt zwar keine Restaurants, aber durch die Whatsapp Gruppe der Peninsulabewohner kann man andere wissen lassen, wenn man etwas Spezielles kocht und dies anderen auch anbieten will. Es ist so sicher hier, dass man nicht mal das Haus abschliesst.
Die nette Peninsula-Ärztin und ihr Freund laden uns zum Mate trinken ein und so verbringen wir den Abend gemeinsam am Strand. Endlich mal Mate trinken! Mate ist ein Aufgussgetränk mit den Kräutern des Matestrauchs, welches in Argentinien und Chile sehr beliebt ist, teilweise mehr als Kaffee. Es wird aus einem Gefäss aus getrockneten Flaschenkürbis mithilfe einer Art Strohhalm mit Sieb getrunken. Da man dafür normalerweise sein eigenes Gefäss mit Strohhalm haben muss, passiert es selten, dass man eingeladen wird. Wir dürfen aber das Gesteck unserer Gastgeber mitbenutzen. Es schmeckt eher bitter – Mate ist eine Geschmackssache, aber Raphi mag es.
Am nächsten Tag fahren wir einmal die ganze, 50km-lange Strasse ab. Am einen Ende befindet sich ein Tor – die Strasse endet im Privatgrundstück. Wir wollen umdrehen, als schon jemand kommt und uns das Tor aufschliessen will – wir sollen doch noch weiter, weiter hinten ist es viel schöner. Wirklich nett die Leute hier! Stattdessen suchen wir einen Wildcampspot am Strand und Raphi kann endlich wieder mal fischen.

Pumalin Nationalpark

Am nächsten Tag gehts weiter mit der Fähre nach Caleta Gonzalez und auf die Carreta Austral. Nun haben wir wirklich das Gefühl Patagonien erreicht zu haben. Patagonien ist eine riesige Region im südlichsten Teil Südamerikas, die fast die Hälfte von Chile und ein Drittel Argentiniens bedeckt. Die Region ist berühmt für seine Weite, Gletscher, Vulkane, Bergmassive. Wir sind überrascht, dass es so grün und üppig bewachsen ist – hier herrscht gemässigter Regenwald. Im Pumalin National Park machen wir eine Wanderung zum Chaitén Krater. Das Gebiet des 2.8 km2 grossen heutigen Pumalin National Park wurde ursprünglich vom Gründer der ‚Northface‘ und ‚Espirit‘ Kleidermarken gekauft, um es zu schützen. Erst vor 4 Jahren wurde von dessen Stiftung das Land an Chile gespendet und wird seither staatlich als Nationalpark verwaltet. Vorbei an toten Bäumen, viel Farn und Regenwald laufen wir hoch zum Kraterrand des Chaitén und blicken zu leuchtend hellblauen Kraterseen und einem dank der Mineralien rotbunten Hang der oben durch die vulkanische Aktivität starke Dämpfe ausstösst. Der Vulkan ist zuletzt 2008 richtig ausgebrochen und hat dabei viel vom Regenwald zerstört. Die vielen toten Bäume unterwegs sind Überbleibsel dieses Ausbruchs.

Futaleufú und Queulat National Park

Andere Wanderungen im Nationalpark sind geschlossen und so fahren wir weiter nach Futaleufú, wo wir uns wieder mit Henrike und Mark treffen. Der Futaleufú Fluss taucht regelmässig in den Top 3 der weltweit besten Wildwasser-Flüsse zum Raften auf. Neben den heftigen Stromschnellen zeichnet er sich durch sein dank seines Gletscherursprungs wunderschön hellblaues Wasser aus. Aufgrund des vielen Wassers momentan (wegen der Öffnung eines Damms in Argentinien und der Schneeschmelze) ist nur ein Stück des Flusses fürs Rafting offen, aber dieses hat es in sich. 12 Stromschnellen über 6.5 Kilometer, davon welche bis zur Klasse V. Wir wagen den Versuch im Rahmen einer Tour. Zu 6. besetzen wir ein Raft – wir mit 2 US-Amerikaner plus der Steuermann. Es gab ein zweites Raft, 2 Sicherheitskayaks und 3 Katamaran-Sicherheitsrafts. Das heisst für nur 2 Rafts (12 Gäste) gab es ganze 5 Sicherheitsangestellte in eigenen Booten. Da fragt man sich, ob das beruhigend oder eben eher das Gegenteil ist. Während die andern erfahren sind, beschränkt sich unsere Erfahrung auf einen Klasse II Rafting Trip vor 7 Jahren in den USA. Und ausgerechnet wir beide sitzen am Anfang vorne und müssen somit die anderen „anführen“, während der Steuermann steuert und die Anweisungen gibt, auf die wir sofort reagieren müssen. Bevors richtig losgeht müssen wir die Rettung üben, somit bleiben wir auch nicht vom Sprung in den kalten Gletscherfluss verschont. Dann gehts los. Es ist fraglich, ob wir jemals soviel Adrenalin in so kurzer Zeit ausgeschüttet haben. Es ist jedenfalls sehr aufregend und intensiv. Die zweite Stromschnelle mit der Klasse V war am extremsten und ausgerechnet bei der sassen wir vorne, bekamen damit die volle Wucht des Wassers als erste mit. Es war eine knappe Sache und wir musste alle ins Boot reinknien, um nicht zu kentern. Nach bisschen mehr als 2 Stunden auf dem Wasser war der Spass auch schon vorbei. Die nächsten paar Tage erkunden wir die Carretera Austral weiter zu viert. Abends finden wir immer traumhafte Wildcampingplätze an Flüssen, machen ein Feuer und kochen zusammen – hin und wieder leider auch im Regen – das ist halt Patagonien.
Das nächste Highlight ist der Parque Nacional Queulat. Hier machen wir eine Wanderung durch dichten gemässigten Regenwald zum Aussichtspunkt vom hängenden Gletschter Ventisquero Colgante. Wow. Was für ein Anblick – ein immenser Gletschter an einer Klippe, von welcher mehrere Wasserfälle in die Tiefe stürzen und einen knallgrünen See mit Wasser versorgen. Hin und wieder gibt es tosenden ohrenbetäubenden Lärm: Es stürzt ein Stück Gletscher ein paar Hundert Meter in die Tiefe. Wow. Ja, jetzt haben wir das Gefühl in Patagonien angekommen zu sein.

Cerro Castillo

Als Nächstes machen wir eine Tageswanderung zum Cerro Castillo und der Cerro Castillo Lagune. Wir haben Glück – der Wanderweg ist noch geschlossen und der Park Ranger beim Eingang empfiehlt uns den illegalen alternativen Wanderweg zu nehmen. Damit sparen wir uns die 18 USD Eintritt pro Person. Der Name Cerro Castillo (auf Deutsch Schlossberg) ist passend. Mit seinen vielen Spitzen, sieht er aus wie ein grosszügiges Schloss. Die vielen hängenden Gletscher an den Felsen tragen nur zum spektakulären Anblick bei. Vor den markanten Türmen des Cerro Castillos liegt eine knallblaue Lagune – ein wunderschöner Anblick. Leider ist ein grosser Teil des Berges mit Wolken behangen, so dass wir nicht die volle Pracht zu sehen bekommen, aber es ist trotzdem eine wunderschöne Wanderung und die über tausend Meter Höhengewinn Wert. An unserem vorläufig letzten Abend zu viert suchen wir ein Platz im breiten steinigen Flussbett ca. 20 Meter vom Fluss entfernt. Raphi ist inzwischen so professionell, dass er es auch bei strömendem Regen noch schafft ein Feuer zu machen und wir den Abend draussen unter der Markiese gemütlich verbringen können. Am nächsten Morgen folgt jedoch die böse Überraschung. Wir sind mit dem Auto vollständig im Wasser – über Nacht ist der Fluss dank dem Regen so stark angestiegen, dass wir nun im reissenden Fluss stehen. Ja, die Rausfahrt ist sehr abenteuerlich. So grosse Angst um den Land Cruiser hatten wir wohl noch nie und an einer Stelle fuhren wir so schief, dass das Wasser fast zum Fenster der Beifahrerseite reichte. Aber beide Autos schaffen es schlussendlich aus dem Fluss. Wenigstens wissen wir jetzt, dass unsere Türen dicht sind 🙂

Capillas del Marmol

Nächstes Ziel ist der Lago General Carrera. Der See ist der grösste Chiles und liegt teils in Argentinien. Durch die Schnee- und Eisschmelze hat der See wunderschöne Farben, von klarem dunkelblau zum knalligen türkis. Die schönen Frühlingsblumen machen den Anblick trotz bedecktem Wetter zauberhaft. Wir machen eine Kayaktour zu den Capillas del Marmol – den Marmorhöhlen. Es handelt sich dabei um 3 Strukturen im und am See aus von Gletscherwasser geschaffenem gemusterten Marmor. Sie werden die Marmorkapelle, Marmorkathedrale und Marmorhöhle genannt – durch letztere kann man auch durchpaddeln. Im ausgeschliffenen Marmor spiegelt sich die türkise Farbe des Wassers – die Steinformationen sind ein wahrhaft zauberhafter Anblick! Nach diesem tollen Erlebnis verabschieden wir uns wieder von den anderen und machen uns über die Grenze nach Argentinien um die lange Fahrt in den Süden anzutreten und Anouks Eltern zu empfangen.

Flucht aus dem Wasser nachdem wir eingeregnet wurden:

Gefahrene Kilometer seit Reisebeginn
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