Ein 3-Tages-Trek in der Peruanischen Schweiz

Berg Taulliraju

Die Woche fängt für uns mit einer grossen Herausforderung an: einem ungeführten 3-Tages Trek in der Cordillera Blanca Bergkette – genauer gesagt dem Huascarán National Park. Die Bergkette ist die höchste tropische Bergkette der Welt, und der Namensgeber des Nationalparks – der Berg Huascarán – mit 6768m der höchste tropische Berg der Welt. Über 700 Gletscher und 27 6000-er Gipfel befinden sich in dem Gebiet. Wir entscheiden uns für den Santa Cruz Trek mit Abstecher zum Alpamayo Basecamp mit der Laguna Arhuaycocha.
Die Herausforderung liegt nicht so sehr in der Dauer der Wanderung, sondern vielmehr in der Höhe und der damit zusammenhängenden dünnen Luft, sowie dem schweren Gepäck, welches wir auf dieser Höhe schleppen müssen – mindestens 15kg (Anouk) und 20kg (Raphi) an Zelt, Schlafsack, Matte, Kochutensilien, Kamera, Essen und Trinken und ganz viel Kleidung für die eiskalten Nächte. In 3 Tagen möchten wir 55.5 Kilometer bezwingen, 2765 Meter an Höhe gewinnen und dabei den höchsten Punkt der Wanderung – Punta Union bei 4750 Meter erreichen.
So machen wir uns auf den Weg – zuerst mit dem Mototaxi und dann mit 2 verschiedenen Collectivos (Sammeltaxis) fahren wir in das Kaff Vaqueria, dem Ausgangspunkt der Wanderung mitten in der Bergkette. Wir wundern uns, wie es das alte Collectivo schafft, die haarsträubenden, kurvigen und holprigen Strassen hochzukommen, aber irgendwann nach 12 Uhr Mittags kommen wir an – später als erhofft – immerhin müssen wir am selben Tag noch 1000 Höhemeter schaffen. Am süssen Strassenstand trinken wir einen Coca-Blätter-Tee, der gegen Höhenkrankheit helfen soll und machen uns dann auf den Weg. Es ist viel anstrengender als erwartet – das schwere Gepäck gibt uns den Rest. Aber die Landschaft ist wunderschön, immer wieder kommen neue schneebedeckte Berge um uns herum zum Vorschein. Mühsam sind einzig die Bremsen, die uns den ganzen Trek über belästigen und unnötige Energie von uns rauben. Wir kämpfen uns immer weiter hoch. Alles was wir heute noch schaffen, müssen wir am nächsten, anspruchsvollsten Tag nicht mehr erklimmen. Auf ca. 4300 Meter ist für uns Schluss. Es wird schon dunkel, schöne Fotos sind leider nicht mehr möglich, wir haben aber auch keine Kraft dazu. Während wir bei Sonne im T-Shirt wanderten wird es ohne Sonne schnurstracks eiskalt. Das Panorama ist traumhaft, schöne Gipfel in beide Richtungen. Wir kuscheln uns ins Zelt, kochen Nudeln und versuchen zu schlafen. Obwohl wir toderschöpft sind, fällt dies aufgrund der Höhe und der frostigen Kälte gar nicht so einfach. Wir tragen 6 Lagen Kleidung inklusive Winterjacke, Mütze und Handschuhe, sind im dicken Schlafsack und frieren trotzdem noch extrem! Wir haben den Kochtopf zum Einweichen bis zum Rand mit Wasser gefüllt und dieses ist am nächsten Morgen vollständig eingefroren!

Der höchste Punkt der Wanderung

Früh geht es am nächsten Morgen weiter zum Punta Union hoch, dem mit 4750 Meter höchsten Punkt des Treks. Jeder Schritt ist ein Kampf, aber wir schaffen es und werden mit traumhafter Rundumsicht belohnt. Dann müssen wir abwärts, bevor wir unser Gepäck verstecken und noch einen längeren Umweg zum wunderbaren Gletschersee Arhuaycocha machen. Wir müssen wieder ordentlich rauf laufen, was uns am Ende unsrer Kräfte und bei Anouk nach einem Sturz mit schmerzhaften Knien mittlerweile auch ohne Gepäck schwerfällt. Aber der Ausblick auf den hellblauen See mit umgebenden schneebedeckten Gipfeln ist eine wunderbare Belohnung. Im Tal, welches wir von nun an zum grössten Teil abwärts laufen müssen, finden wir einen Ort für unser Zelt mit Bach für Frischwasser. Da wir nicht das ganze Wasser mitschleifen können, verlassen wir uns auf Bäche und unseren Trinkwasserfilter, sind nur ein bisschen unglücklich über die vielen Kühe und deren Hinterlassenschaften. Die zweite Nacht auf nur noch 3900 Meter Höhe ist minim wärmer als jene zuvor, aber Frost am Zelt finden wir trotzdem am nächsten Morgen. Am letzten Tag geht es dann durch ein idyllisches Tal abwärts, teils sehr steil. Mit schwerem Gepäck ist dies auch nicht viel besser als aufwärts zu gehen, da wir die Muskeln anspannen müssen, wenn wir unsere Knie nicht zerstören möchten. Irgendwann nach Mittag haben wir auch die letzten 20 Kilometer geschafft und finden auch gleich ein Sammeltaxi welches uns zurück nach Caraz zu unserem Auto nimmt. Es reicht uns sogar noch Wäsche zu machen und zum Mechaniker zu gehen, um ein Riesenplastikstück aus unseren Reifen zu nehmen, welches sich durch unsere neuen Reifen gebohrt hat. Den holländischen Backpacker von der Woche zuvor treffen wir zufälligerweise ebenfalls wieder an.

Lima

Plaza Perú in der Altstadt

Am nächsten Tag machen wir uns auf nach Lima, die mit ca. 10 Mio. Einwohnern zweitgrösste Stadt Südamerikas (nach Sao Paolo) und Hauptstadt von Peru. Für die 8-stündige Fahrt müssen wir das erste Mal entlang der verpönten Küste Nordperus fahren. Wir verstehen die Kritik sofort. Die karge, trostlose Wüste entlang der Panamericana ist eine einzige, riesige, scheinbar unendliche Müllhalde. Oft herrscht Nebel. Wenn es Häuser gibt, dann sind es zusammenfallende Bruchbuden. Der schönste Anblick ist noch wenn am Strassenrand riesige Flächen von Chilis getrocknet werden. Ganz besonders schlimm ist das Elend in den Vororten von Lima. Die Menschen leben hier in grösstem Armut und Müll. Nicht schlecht staunen wir, als wir im gehobenen Viertel Miraflores ankommen. Hier gibt es schicke Gebäude, wunderschöne Parks, teure Läden. In diesem Viertel befindet sich auch der Schweizer Club, eine riesige Anlage mit Indoor und Outdoor Pools, süssem Spielplatz mit kleinen Chalets etc., sowie 2 Schweizer Restaurants. Hier dürfen wir (natürlich zu Schweizer Preisen 🙂) auf dem bewachten Parkplatz übernachten und die Einrichtungen nutzen. Nach 2 Nächten wirds uns zu teuer, da das Wifi nicht richtig funktioniert, die Dusche nicht heiss ist und wir inzwischen auch schon alle unseren Schweizer Gelüste im ansässigen Restaurant befriedigen konnten. So ziehen wir in ein nicht viel teureres Hotel und die letzte Nacht übernachten wir gratis bei einem Park in einem Nobelquartier. Der Grund, dass wir so lange in Lima verbringen ist der Land Cruiser. Wir müssen die Seilwinde installieren (in unsere Stossstange ein Loch boren lassen und zur Befestigung eine Adapterplatte bauen lassen). Es steht auch wieder Service an und ausserdem stellen wir fest, dass die Bremssattel nicht mehr top sind, worauf eine Anpassung vorgenommen wird und wir schon mal neue auf Vorrat kaufen. Da wir gelernt haben bei Service, Reparaturen o.ä. besser immer dabei zu sein, sehen wir in der Zwischenzeit nicht viel von Lima und können die Stadt nur am Wochenende erkunden. Lima ist direkt an der Küste, erhoben auf einem steilen Kliff mit genügend Möglichkeiten herunterzusteigen und ins Meer zu gehen – eigentlich ein spektakulärer Anblick. Wir werden aber mit der Stadt nicht richtig warm (wortwörtlich). Es hängt die ganze Zeit ein Nebel über der Stadt, was an der Jahreszeit liegt und es ist eiskalt. Alle, wir inklusive, laufen in Wintermänteln rum. Das wäre ja ok, wenn man die Möglichkeit hätte, sich in gemütliche Cafés, Restaurants, Bars oder Hotelzimmer zu verziehen. Das Problem ist nur, das alles offen gehalten ist, mit grossen Türen und Fenstern, die ständig sperrangelweit offen sind. Auch in den Innenräumen inklusive dem Hotelzimmer oder Restaurants ist es so eiskalt – im Wintermantel im Nobelrestaurant zu sitzen gehört hier zum guten Ton.
In der Altstadt bewundern wir dennoch die Kolonialbauten und geniessen im Museo del Pisco ein paar Pisco Cocktails – Pisco ist der weltberühmte Trauben-Schnaps aus Peru. Im edlen Miraflores bewundern wir Food Courts, Parks und Restaurants, bei welchem Anblick gar Zürichs Nobeleinrichtungen vor Neid erblassen würden. Krass, einmal mehr diese Ungleichheit zu sehen, wenn wir uns an die Vororte Limas zurückerinnern. In La Punta, einem Hafenviertel schauen wir Delfinen zu und geniessen leckere Ceviche (roher, aber marinierter Fischsalat – das inzwischen weltweit berühmte Nationalgericht Perus).
Wir sind begeistert von Perus Küche, welche zurecht den Ruf hat, die beste Südamerikas zu sein. Hier gibt es wieder Gewürze und Schärfe, etwas was wir in der überspitzt formuliert faden und einseitigen Reis- und Bohnenküche ab Belize vermisst haben. Die Küche ist zudem so vielfältig und hat viele Einflüsse von ausserhalb inkooperiert. Gerichte wie gebratener Reis (Einfluss aus Asien) oder Pasta (Einfluss aus Italien) mit peruanischer Pestosauce oder mit peruanischer Chili-Kartoffelkäse-Sauce oder Gulasch mit Pommes wurden vor dermassen langer Zeit integriert und neu interpretiert, dass sie längst zu den Standards gehören und auch im allerhintersten Andendorf serviert werden. Gerne wird dazu Chicha serviert. In der alkoholfreien Variante handelt es sich dabei um ein leckeres süsssaueres, würziges Getränk aus violettem Andenmais. Die alkoholhaltige Version wird auch Spuckebier genannt, da zur Fermentation der zugrundeliegenden Pflanzen Spucke verwendet wird.
Im Künstlerviertel Callao bewundern wir Murals und sind überrascht, wie schnell man sich hier hin und her bewegt zwischen Strasse mit hippen Kunstgallerien und Strassen aus zerfallenen Häusern, zwielichten Gestalten und Gestank. Wir sind froh, als wir die Stadt verlassen können und freuen uns auf die vor uns liegenden schöneren Wüsten- und Küstengegenden.

Gefahrene Kilometer seit Reisebeginn
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