Eine Pechsträhne in Bolivien

Belag bis an die Grenze

So verabschieden wir uns wehmütig von Brasilien und überqueren die Grenze nach Bolivien. Wir sind zurück im für uns inzwischen altbekannten Spanisch-sprechenden Südamerika und dankbar uns wieder besser verständigen zu können. Es handelt sich um eine sehr kleine Grenze. Die Grenzformalitäten von Brasilien mussten wir bereits in einer grösseren Stadt 100 Kilometer vor der Grenze erledigen. Die bolivianische Seite ist auch sehr klein. Das Militär hat keine Waffen und die Passkontrolle geht fix, da es keine andere Grenzgänger hat. Für die Autopapiere beim Zoll ist ein Beamter in Trainerhosen zuständig, der vielleicht netteste auf unsrer ganzen Reise. Er wollte uns sogar eine Guthabenkarte fürs Handy schenken. Sein Drucker funktioniert nicht und so schickt er uns zur Zollbehörde im nächsten, 200 Kilometer entfernten Dorf. Dort wartet das Dokument ausgedruckt auf uns. Die Strecke zum ersten Zwischenhalt San Ignacio ist relativ mühsam. Wir fahren durch unzählige Checkpoints wo wir immer Namen, Passnummer, Grund der Reise und vieles mehr angeben müssen und in eine Liste eingetragen werden, die wohl nie wieder jemand anschaut. Höhepunkt ist ein Dorf mit vielleicht 20 Häusern, wo es ganze drei Checkpoints gibt, 2 vom Militär und einer von der Polizei. Das soll jemand verstehen.
Bolivien ist das höchste Land Südamerikas und eines der einzigen 2 ohne Meerzugang. Dies ist Chile zu verdanken, welches vor über 100 Jahren die dazumals bolivianische Hafenstadt Antofagasta eroberte. Sie nutzten dazu den Zeitpunkt des Karnevals, wo die bolivianischen Soldaten betrunken waren und die Eroberung somit ein leichtes Spiel war. Bolivien hält bis heute daran fest, dass es eigentlich Anrecht auf diesen Küstenabschnitt hat und unterhält damit immer noch eine eigene Navy / Marine.
Bolivien ist deutlich ärmer als Brasilien, die Häuser sind wieder sehr einfach und viele nur mit Strohdach versehen. Die Menschen sind sehr nett, aber zurückhaltender als die ebenfalls sehr herzlichen Menschen in Kolumbien oder Brasilien. Obwohl Bolivien sehr arm ist, ist es ein sehr sicheres Land und eines der einzigen von welchen wir noch nie eine Geschichte gehört haben, was Kriminalität an Reisenden anbelangt. Auch der Schweizer Auswanderer, den wir später treffen bestätigt uns dies.

San Ignacio und die Mission Route

Unseren ersten Halt machen wir im kleinen Städtchen San Ignacio de Velasco. Hier suchen wir den Campingplatz eines ausgewanderten Schweizers auf. Er ist super hilfreich und backt leckeres Brot. Wir nutzen die Möglichkeit mal wieder alles zu putzen und waschen. Unsere Kunstlederverkleidung der Mittelkonsole lassen wir neu machen, was nach hinten losgeht. Die Qualitätsansprüche sind hier manchmal anders. Der Sattler entfernt das alte Leder nicht sondern tackert nur das neue drauf, so dass der Deckel nicht mehr draufpasst und nur noch dranreibt und das Holz beschädigt. Ausserdem verwendet er zwei unterschiedliche Farben für die zwei Teile. Sowas ist manchmal frustrierend. Man verwendet viel Zeit jemand zu finden, der ein Problem lösen kann, zahlt dafür und am Schluss ist alles für nichts. Vom Schweizer erfahren wir, dass für zwei Tage später ein grosser unbefristeter Streik im gesamten Bundesstaat Santa Cruz angelegt ist, wobei auch die Strassen gesperrt werden. Wir würden also auf unbestimmte Zeit in dem Bundesstaat festsitzen. Gestreikt wird, da die Regierung die Volkszählung um ein Jahr verschoben hat. Daraus machen Gegner ein Politikum und laut dem Schweizer macht die Bevölkerung dankbar mit, um ein paar Tage nicht arbeiten zu müssen. Wir entschliessen uns dazu zu „fliehen“ auch wenn das bedeutet alle Sehenswürdigkeiten im grössten Bundesstaat Boliviens auszulassen und zwei Tage durchfahren zu müssen. Wir hoffen dabei, dass sich die Proteste und Streiks nicht auf die anderen Bundesstaaten ausweiten, was durchaus möglich ist.
Wir schaffen es noch kurz zwei Missionen zu besuchen, in San Ignacio und San Javier. Durch die Gegend führt die sogenannte Mission Route, eine Route vorbei an ehemaligen Jesuitenmissionen. Die Jesuiten kamen im 17. Jahrhundert nach Südamerika, um zu missionieren. Im Gegensatz zu den Konquistadoren waren sie nicht sehr erfolgreich, da sie im Gegensatz zu jenen eher versuchten zu helfen, statt die indigene Bevölkerung zu versklaven und es vermieden mit Zwang zu arbeiten. Die Spanier haben die Jesuiten im 18. Jahrhundert verbannt und fast alle Missionen zerstört ausser jene in Bolivien, welche immer noch im Originalzustand sind. Die Missionen sind sehr hübsch und das Holzhandwerk eindrücklich.
Bei unser Flucht werden wir mit dem nächsten Problem konfrontiert. Tanken ist in Bolivien ein schwieriges Thema. Benzin wird für Einheimische subventioniert, Ausländer zahlen den dreifachen Preis. Oft finden Reisende kleinere Tankstellen auf dem Land, die unter der Hand einen geringeren Preis anbieten (d.h. sie verkaufen den Benzin illegalerweise zum lokalen Preis und stecken den verhandelten Aufschlag in die eigene Tasche). Da der offizielle Ausländerpreis aber aufwendiger abzurechnen ist für die Tankstelle und sie nichts davon hat, wollen viele Tankstellen gar keine Ausländer bedienen, nicht mal zum Ausländerpreis. So ist es in Bolivien nicht so einfach zu tanken. Damit erschrecken wir ganz schön, als wir zusätzlich zu dieser Schwierigkeit noch riesige Schlangen an den Dieselzapfsäulen sehen. Wir fragen einen LKW-Fahrer wie lange man warten muss und der meint einen Tag! Wie werden ganz schön nervös, denn so werden wir es nicht rechtzeitig vor dem Streik aus Santa Cruz schaffen! Zum Glück haben wir noch genug Diesel, um an weitere Tankstellen zu fahren und allmählich bessert sich die Situation, wir können tanken und schaffen es vor dem Streik aus Santa Cruz.

Kathedrale von Sucre

Sucre

Wir fahren nach Sucre. Sucre ist die konstitutionelle Hauptstadt von Bolivien. La Paz derweil ist wo die Regierung sitzt und die höchste administrative Hauptstadt der Welt. Sucre ist auch bekannt als die weisse Stadt, dank den wunderschönen weissen Kolonialbauten. Ein weiterer Faktor, der für Sucre spricht, ist dessen berühmte Schokolade. Das müssen wir natürlich verifizieren und können nur beipflichten – die Schokolade ist wirklich lecker. Wir machen einen Spaziergang durch die schöne Stadt und haben dann einen Termin, um die Windschutzscheibe zu wechseln, die seit unsrer zweiten Woche in den USA einen Sprung hat. Dies bereuen wir sehr schnell sehr stark. Wie so üblich, verspätet sich das ganze Prozedere erst mal. Und dann fängt das Desaster an. Beim Rausnehmen der Windschutzscheibe nehmen die Arbeiter die Innenverkleidung nicht weg und schneiden prompt zweimal gross rein. Toll, die Plastikverkleidung können wir nicht ersetzen und so haben wir da nun einen Schaden, den man permanent sieht. Obwohl sie uns im Vorfeld versichern, dass die Dichtung ganz bleibt machen sie sie kaputt, so dass am nächsten Tag die neue Windschutzscheibe bereits runterrutscht und nicht mehr dicht ist. Zu guter Letzt berechnen sie uns auch noch mehr als offeriert. Die nächsten Tage versuchen wir das Problem zu lösen – vergeblich. Diese Dichtung gibt es nur in Santa Cruz, wo auf unbeschränkte Zeit gestreikt wird. Es gibt sie auch nicht in Argentinien oder Chile und falls wir sie irgendwo bekommen, wird uns das mehrere Hundert Dollar kosten. Wie schon mit der Konsolenverkleidung bereuen wir auch hier, dass wir das Geld nicht einfach verbrannt haben, weil statt ein Problem zu lösen, stehen wir nun vor viel grösseren Problemen und Kosten. Nachdem wir vergeblich viel Zeit verbracht haben ein neue Dichtung zu finden, kleben wir die Windschutzscheibe mit Klebband ab und fahren weiter. Nach all dem und dem Risiko, dass sich die Streiks weiter ausbreiten, haben wir weder Lust Sucre noch weiter anzuschauen, noch die Minenstatt Potosi noch den Norden mit La Paz und dem Titicaca See. Stattdessen fahren wir wieder hoch in die Anden auf 4000 Meter – nach Uyuni, etwas das wir auf keinen Fall auslassen möchten.

Uyuni

Bei Uyuni befindet sich nämlich die grösste Salzebene der Welt. Auch wären wir von da aus sehr schnell in Chile, falls sich die Proteste ausweiten. Zuerst müssen wir aber ins Städtchen Uyuni, um das Auto gründlich mit Rostschutz einzusprühen. Dabei treffen wir das erste Mal auf unsrer Reise auf einen Toyota Land Cruiser mit dem exakt gleichen Aufbau wie wir. Die beiden Besitzer aus Deutschland sind super nett, auf der gleichen Wellenlänge und falls wir das Auto nicht verkaufen, können wir vielleicht mit ihnen zusammen einen Container zurück teilen. Nach ein paar Stunden quatschen verabschieden wir uns, hoffen aber, dass sich die Pfade bald wieder kreuzen. Ja, die Woche war sehr frustrierend und gesehen haben wir nicht viel. Nun hoffen wir, dass es nur noch besser kommt.

Übrigens wurden wir vor ein paar Wochen interviewt. Bei Interesse kann der Podcast hier angehört werden: 

https://ghtoverland.com/podcasts/f/a-very-long-honeymoon

 

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Gefahrene Kilometer seit Reisebeginn

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